Der Mythos von Sisyphos

Was für ein nerviger Job: Jeden Tag einen riesigen Stein einen Berg hochzustemmen, der kurz vor Erreichen des Gipfels wieder runterrollt. Dafür braucht man viel Geduld und Spucke: Wie Sisyphos, der Held aus der griechischen Mythologie, der für seine Untaten (angeblich hat er die Pläne von Gottvater Zeus verraten) mit schwerster Arbeit bestraft wurde – eben mit lebenslangem Hinaufrollen eines widerspenstigen Felsbrockens. Wenn jemand eine Arbeit erledigen muss, die kaum zu schaffen ist, spricht man daher auch heute noch von Sisyphos-Arbeit. Und jetzt ganz schnell wieder vergessen.

Coworking

Das war bei diesem Heft schon seltsam. Irgendwie wollten alle Autoren über diese Sache namens „Coworking“ schreiben. Das sei das neueste Ding, versicherten sie uns. Die Arbeit der Zukunft, und wir hätten sie heute schon im Heft. Tatsächlich ist es so, dass es seit einiger Zeit überall diese Bürohäuser gibt, in die man sich tage- oder wochenweise einmieten kann und dafür einen Internetanschluss und einen Schreibtisch bekommt. Wenn wir das richtig verstanden haben, ist die Idee folgende: Leute, die sich kaum kennen und meistens irgendwas mit Medien machen, sitzen wie Legehennen zusammen und arbeiten freiberuflich an Projekten. Wenn sich dann im Laufe des Tages aber einer von seinem Laptop erhebt und in die Runde ruft, „Hey Leute, ich brauche noch einen Web-Strategiedeveloper für mein Projekt“, und tatsächlich einer die Hand hebt, dann wird das „Coworking“ genannt. So weit, so spannend. Was uns aber wirklich gestört hat an dieser Sache: Keiner spricht darüber, dass diese Leute nur deshalb in tageweise zu mietenden Büros anzutreffen sind, weil sie von ihrer Arbeit so schlecht leben können, dass alles andere für sie zu teuer ist.

Guter Abgang

Normalerweise werden Leute, die ihren Job kündigen, nicht so einfach zu Volkshelden. Aber der Flugbegleiter Steven Slater schien irgendwie einen Nerv getroffen zu haben, als er nach der Landung seines Fluges von Pittsburgh nach New York beschloss, alles hinzuschmeißen. „Ich war 20 Jahre in diesem Geschäft. Und das war’s. Ich bin fertig“, teilte er den Passagieren mit, griff sich ein Dosenbier und verließ das Flugzeug über die aufblasbare Notrutsche. Später nahm ihn die Polizei fest, doch da war die Geschichte schon auf allen Medienkanälen gelaufen, und die meisten Menschen fanden Steven Slaters Aktion einfach nur mutig und bewundernswert. Und das war es auch schon. Mehr Platz für diese Heldengeschichte hatten wir leider nicht.

Gasriecher, wo bist du hin?

Es gab mal einen Beruf, der hieß Matratzensammler. Das waren Menschen, die mit einem Bollerwagen durch die Stadt zogen und alte Matratzen gesammelt haben. Es gab auch mal einen Beruf, der hieß Gasriecher. Das waren Menschen, die rochen nach Lecks in den Rohren unter der Straße. Es gab auch mal Harzer und Tapetenstecher und Wasenmeister und so weiter und so fort. Und gute Fotos von verschwundenen Berufen gibt es auch. Wir haben lange überlegt, ob wir nicht eine Bildstrecke zu diesem Thema machen, nostalgisch, schwarzweiß. Am Ende haben wir uns doch für die Gegenwart entschieden. Eine Fotoreportage über einen 17-jährigen Paparazzo kriegt man ja auch nicht alle Tage zu sehen.