Thema – Europa

Suchen Newsletter ABO Mediathek

An exit to the Brexit?

Während die britische Regierung scheinbar unaufhaltsam auf den Brexit zusteuert, will eine Vielzahl von größeren und kleineren Gruppen Großbritanniens EU-Austritt stoppen

Großbritanniens künftige Finanzverpflichtungen, die Rechte der EU-Bürger, eine Übergangsphase bis Ende 2020 – die Verhandlungsrunden in Brüssel bringen stetig neue Ergebnisse für den Brexit. Gleichzeitig formieren sich auf der Insel neue Gruppen, die den Austritt aus dem Brüsseler Club noch verhindern oder wenigstens die Regierung von ihrem harten Kurs abbringen wollen:

Die neue Partei Renew will den Brexit rückgängig machen

Die beiden großen Parteien – Konservative (Tories) und Labour – sind offiziell geschlossen auf Brexit-Kurs. Viele einzelne Abgeordnete aber beteiligen sich an Anti-Brexit-Gruppen. Klar gegen den Austritt haben sich die Liberaldemokraten sowie die Nationalistenparteien von Wales und Schottland positioniert. Sie wünschen sich ein zweites Referendum, genauso wie die neu gegründete Erneuerungspartei Renew. Ihr Ziel ist, wie in der Mitte Februar veröffentlichten Gründungserklärung zu lesen, „den Brexit rückgängig zu machen und unsere einflussreiche Stellung in Europa wiederherzustellen.“

 

Die Graswurzelbewegung Is it worth it tourte eine Woche lang im roten Bus durchs Land, um über die Folgen des Brexit aufzuklären

Die Graswurzelgruppe Is it worth it hatte die wahrscheinlich originellste Idee. Mit kleinen Spenden von mehr als 600 Unterstützern organisierte sie im Februar die einwöchige Tour eines roten Reisebusses – ganz wie die EU-Gegner vor zwei Jahren im Referendumskampf. Nur der Slogan ist ein anderer: Statt „Wir zahlen der EU jede Woche 350 Millionen Pfund“, wie die Austrittsbefürworter fälschlicherweise behaupteten, hieß es nun gemäß einer Regierungsstudie: „Brexit kostet uns 2.000 Millionen pro Woche – ist es das wert?“

Am 23. Juni 2016 stimmten knapp 52 Prozent der Briten für den Brexit. Während die Austrittsverhandlungen laufen – der Ausstieg ist für März 2019 geplant –, deutet eine Umfrage nun auf einen sachten Meinungsumschwung hin: Immer mehr Briten sind demnach der Meinung, der EU-Ausstieg wäre ein Fehler. Im Dezember war laut Meinungsforschungsinstitut BMG Research eine Mehrheit der Befragten für den Verbleib in der EU. Eine erneute Volksabstimmung gilt aber als sehr unwahrscheinlich.

„Keep calm an fight on“ rät die Organisation Best for Britain

Die Organisation Best for Britain wiederum fordert die Briten dazu auf, „ruhig zu bleiben und den Brexit zu bekämpfen“. Gründerin der Bewegung ist die Geschäftsfrau Gina Miller. Sie wurde bekannt, nachdem sie erfolgreich vor dem Supreme Court eingeklagt hatte, dass die Regierung für die geplanten EU-Austrittsverhandlungen erst die Zustimmung des britischen Parlaments einholen muss. Als Chairman fungiert der frühere Vize-Generalsekretär der UN, Mark Malloch Brown. Der 64-Jährige gehört dem Oberhaus, auch House of Lords genannt, an. Schlagzeilen machte die Organisation kürzlich durch eine Spende von 400.000 Pfund (rund 458.000 Euro), die sie von dem 87-jährigen Milliardär George Soros erhielt. 

 

Die Kampagne Our Future, Our Choice appelliert besonders an die junge Bevölkerung

Zu den prominentesten Unterstützern von Best for Britain gehört auch der Labour-Politiker Andrew Adonis, ebenfalls ein Mitglied des Oberhauses; er arbeitete für Premierminister Tony Blair und war kurzzeitig Verkehrsminister. Der 55-Jährige hob kürzlich mit Unterstützung der Organisation die Kampagne Our Future, Our Choice aus der Taufe. Sie wendet sich an junge Leute und verweist darauf, dass diese Umfragen zufolge mit einer Zweidrittelmehrheit in der EU bleiben wollen. „Wir wollen den Brexit auf demokratischem Weg rückgängig machen“, erklärt der 20-jährige Student William Dry, der 2016 selbst noch für den Austritt gestimmt hat und deshalb jetzt „seinen Fehler wiedergutmachen will“. Das Ziel der Kampagne: eine neuerliche Volksabstimmung.

 

Another Europe is Possible will in der EU bleiben – sieht aber großen Reformbedarf

Dafür wirbt auch Another Europe is Possible, eine überparteiliche Sammlungsbewegung der politischen Linken, die für Demokratie und Menschenrechte eintritt. In der Referendumskampagne trat Another Europe is Possible dafür ein, in der EU zu bleiben, diese aber zu reformieren. Die prominenteste Vertreterin ist die einzige grüne Unterhaus-Abgeordnete Caroline Lucas; zu den Sprechern zählen auch Gewerkschaftler und ein prominenter Aktivist der Labour Party.

Als Open Britain versucht eine Gruppe Parlamentsabgeordneter den harten Brexit zu verhindern

Open Britain ist die Nachfolgeorganisation der erfolglosen „Remain“-Kampagne im Referendum 2016. Weil sie im vergangenen Jahr zur Abwahl konservativer Brexit-Hardliner aufrief, verlor die ursprünglich überparteiliche Gruppierung ihre wichtigsten Tory-Unterstützer wie Nicky Morgan und Dominic Grieve. Geblieben sind Labour-Nachwuchsstars wie Chuka Umunna und Chris Leslie. 

Die European Movement ist ein europaweiter Zusammenschluss von Organisationen, die ein vereintes Europa fördern

Die Gruppe teilt neuerdings ein Büro mit Britain for Europe, die als Koordinatorin für lokale Gruppen agiert, und mit dem European Movement. Die ehrwürdige, 1949 gegründete Lobbygruppe wird geleitet vom früheren Tory-Gesundheitsminister Stephen Dorrell, 66. Auch andere Unterstützer wie Ex-Justizminister Kenneth Clarke und der frühere liberaldemokratische Parteichef Paddy Ashdown, beide 77, haben den Zenit ihrer politischen Karriere offiziell längst überschritten – das hindert sie aber nicht daran, sich tatkräftig für den Verbleib in der Europäischen Union einzusetzen.

Wie konnte es eigentlich zu dem Referendum kommen? Welche Argumente sprechen für, welche gegen den EU-Ausstieg? Und wie geht es jetzt weiter? Fundierte Antworten gibt es hier und hier.

Titelbild: Chris J. Ratcliffe/Bloomberg via Getty Images

Dieser Text wurde veröffentlicht unter der Lizenz CC-BY-NC-ND-4.0-DE. Die Fotos dürfen nicht verwendet werden.