Die globale Erwärmung soll um nicht mehr als zwei Grad steigen – im Vergleich zur Temperatur vor Beginn der Industrialisierung ab circa 1750. Dieses Ziel haben sich die EU-Staaten schon vor knapp 20 Jahren gesetzt. Die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen schlossen sich 2010 an. Das Zwei-Grad-Ziel ist also eine politische Festsetzung, die allerdings auf wissenschaftlichen Überlegungen beruht. Ab einer Temperaturzunahme von zwei Grad könnten sich Luft- und Wassertemperaturen sowie weitere Werte so sehr verändern, dass sich in der Folge das Klima dauerhaft und unwiederbringlich verändert – mit gravierenden Folgen, wie Dürren, Fluten und Stürmen. Einige Fachleute wie der deutsche Klimaexperte Stefan Rahmstorf und Vertreter von Inselstaaten sowie Bolivien fordern sogar eine Festlegung auf 1,5 Grad.

Das Problem: Manche Experten halten das Zwei-Grad-Ziel bereits für nicht mehr erreichbar, weil dafür die G 20-Staaten, die für 75 Prozent der Kohlenstoffdioxid-Ausstöße verantwortlich sind, sofort Maßnahmen beschließen müssten, um ihre Wirtschaft und den Lebenswandel ihrer Bewohner zu ändern. Doch das geschieht nicht im erforderlichen Umfang. „Die G 20 nehmen ihre Verantwortung nicht wahr. Stattdessen delegieren die großen Verschmutzer das Thema Klimawandel an die UN, in deren Rahmen 193 Staaten eine Konsenslösung finden müssen.“ Die UN blieben wichtig, aber die G 20 müssten vorangehen, sagt Oliver Geden, Experte für Klima- und Energiepolitik der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin.

Um fast ein Grad ist die Temperatur bereits angestiegen, und kein Land steuert entschieden dagegen. Im Gegenteil. Der CO2-Ausstoß vieler großer Staaten nimmt noch zu. „In den vergangenen 25 Jahren ist er trotz internationaler Klimapolitik fast in jedem Jahr gestiegen, seit 1990 um insgesamt etwa 40 Prozent“, sagt Oliver Geden.

Geden fordert konkrete Maßnahmen, die sofort umgesetzt werden, um die globalen Treibhausgasemissionen so schnell wie möglich zu senken. So sollten Kohlekraftwerke künftig nicht mehr staatlich gefördert werden. Das sei mehrfach beschlossen worden, werde aber nur halbherzig umgesetzt. Außerdem sollten besonders klimaschädliche Gase (sogenannte HFC) und Schadstoffe wie etwa Methan reduziert werden. Das würde sich besonders schnell positiv auf die globale Temperatur auswirken.

Und das Zwei-Grad-Ziel? „Man sollte auf ein festes Temperaturziel verzichten“, sagt Geden. Die Politik werde von Klimaexperten aus der Wissenschaft beraten, die „erstaunlich wenig von den Eigenlogiken politischer Prozesse verstehen“. Es gebe schlicht keine Instanz, die das Einhalten des Zwei-Grad-Ziels international durchsetzen könne.

Felix Ehring arbeitet als freier Journalist. Bei der Recherche wurde ihm von Zahl zu Zahl klarer: Ob es nun um Armut, Geburten, Arbeitslosigkeit oder Klimaschutz geht – Interessengruppen führen eine teilweise erbitterte Debatte um die Deutungshoheit dieser Zahlen. Und: Einige Journalisten vermelden amtliche Zahlen einfach, ohne sie zu hinterfragen und einzuordnen. Dabei gilt für jede Zahl: Sie sagt nicht nur etwas aus, sie verschweigt auch etwas.