15 Monate Militärdienst in Deutschland, das verhieß gutes, leicht verdientes Geld – und das brauchte André Shepherd damals. Also verpflichtete er sich 2004 bei der U.S. Army und zog von seiner Heimat Cleveland nach Katterbach in Bayern. Seine Reise war dort allerdings nicht zu Ende: Die Armee schickte ihn für ein halbes Jahr in den Irak. In einen Krieg, den er schon bald für illegal hielt. Und so desertierte der Mann, als er 2007 zum zweiten Mal dorthin sollte, und bat in Deutschland um Asyl – vergebens.

Das ist die Kurzfassung des Falls, mit dem sich die 25. Kammer des Verwaltungsgerichts München an diesem Mittwoch und Donnerstag beschäftigt hat. Shepherd hatte gegen die Ablehnung seines Asylantrags geklagt, das Verwaltungsgericht bestätigte den Entscheid aus dem Jahr 2011 jedoch. Shepherd habe kein Recht auf Asyl in Deutschland, lautete die Begründung. Sein Anwalt kündigte umgehend Berufung an.

Juristen sprechen von einem Präzedenzfall, bei dem es über den individuellen Fall hinaus um den Schutz der Gewissensentscheidungen von Soldaten gehe. Zudem ist Shepherd der erste US-Soldat überhaupt, der in Deutschland Asyl beantragt hat. Ein Urteil zu seinen Gunsten könnte für diplomatische Verstimmungen zwischen beiden Ländern sorgen, weil der Fall auch die brisante Frage berührt, ob die Vereinigten Staaten im Irak Kriegsverbrechen begangen haben. Eine Richtlinie der Europäischen Union schützt nämlich Soldaten, die sich einem völkerrechtswidrigen Krieg oder völkerrechtswidrigen Handlungen entziehen und mit Verfolgung rechnen müssen – selbst wenn sie, wie Hubschraubermechaniker Shepherd, nicht direkt an den kriegerischen Handlungen beteiligt sind.

Der erste US-Soldat überhaupt, der in Deutschland Asyl beantragt

Die Münchner Richter machten allerdings einen Bogen um die heikle Materie und begründeten ihr Urteil damit, dass sich Shepherd vor seiner Desertion nicht um eine formale Kriegsdienstverweigerung oder eine Versetzung in eine andere Einheit bemüht habe. Seine Desertion sei nicht das letzte Mittel gewesen.

Bei alledem könnte es dem US-Amerikaner auch um die Signalwirkung gehen, die das Urteil für Soldaten in ähnlichen Situationen hätte. Zwar drohen ihm in seiner Heimat als Deserteur Gefängnis und die unehrenhafte Entlassung aus der Armee, laut seinem Anwalt außerdem soziale Ächtung und Schwierigkeiten bei der Wiedereingliederung in die Gesellschaft. Doch die Abschiebung muss er nicht fürchten. Er hat in Deutschland eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis.

Deutschlandradio Kultur sendete anlässlich des Prozesses ein interessantes Interview mit dem Bundeswehrspezialisten Elmar Wiesendahl zu der Frage: Wieviel Gewissen darf ein Soldat eigentlich haben?